Die „Tantramassage“ ist eine deutsche Erfindung der 70er Jahre. Andreas Rothe (Andro), der bekannteste deutsche Tantralehrer Deutschlands, hat auf seinen ausgedehnten Reisen in Asien und dem Orient viele Massagetechniken kennen gelernt und daraus zunächst die sehr dynamische und körperorientierte Yin-Yang-Massage zusammengestellt. Erst der Wunsch nach Erweiterung zu mehr Genitalberührung gab einer erweiterten Massageform den Namen Tantramassage.
Warum Tantra?
Tantra als östliche Philosophie und spirituelle Weisheitslehre basiert auf der Auflösung und Bewusstmachung von Tabus. Nicht nur in der westlichen Welt ist die Sexualität seit Jahrhunderten, wenn nicht gar Jahrtausenden, unterdrückt und verpönt. Sexualität wird schamhaft nachts im Dunkeln unter der Bettdecke praktiziert und die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Scham und Ängste sperren die Menschen in selbstgemachte Gefängnisse scheinbarer Intimität.
Tantra hebt diese Grenzen auf und befreit in ganzheitlicher Weise. Tantramassage widmet sich in erster Linie der Befreiung von körperlichen Blockaden. Auch die geistige und emotionale Ebene wird durch eine neue Körpererfahrung nach und nach von alten Mustern und Programmen befreit. Dabei sind die Erfahrungsmöglichkeiten für Männer, Frauen und Paare durchaus unterschiedlich geprägt.
Sinnliche Berührungen oder heilsame Partnermassage?
Durch die Offenheit für sexuelles Erleben hat die Tantra-Massage auch im professionellen Prostitutionsgewerbe Beliebtheit erlangt. Allerdings hat sie hier meist ausschließlich die sexuelle Bedürfnisbefriedigung zum Ziel. So ist der Begriff Tantramassage heute eng mit dem sogenannten Rotlichtmilieu verknüpft. Auch seriöse Anbieter ganzheitlicher körperlicher und sexueller Selbsterfahrung sind durch eine neue Gesetzgebung oft gezwungen, sich als Prostituierte anzumelden. Daher findet man auch den Begriff Tantraheilmassage zur Abgrenzung von rein sexuell orientierten Erlebnisangeboten.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit den heilsamen Wirkungen der Tantra-Massage in ganzheitlichem Kontext – somit der Tantra-Heil-Massage, auch wenn der Einfachheit halber im Folgenden der Begriff Tantra-Massage verwendet wird.
Tantramassage für Männer
Viele Männer unterliegen heute immer noch der gesellschaftlich geprägten Vorstellung, dass der Wert eines Mannes eng mit seiner Leistung verknüpft ist. Egal ob im Beruf oder in der Freizeit, Familie oder auch Sexualität – es gilt, ein Ziel zu erreichen. Je schneller und effektiver, desto besser. Diese Zielorientierung setzt Männer unter einen enormen Erfolgsdruck und erzeugt Stress. Häufig ist dieser verbunden mit gesundheitlichen Folgen: Bluthochdruck, Herzrasen, Neigung zu Herzinfarkt und Schlaganfall und auf sexueller Ebene erektiler Dysfunktion.
Die Tantra-Massage öffnet für Männer einen ganz neuen Erfahrungshorizont: hier muss nichts geleistet werden. Hier darf ich mich entspannen, hier gibt es keinen Erfolgszwang. Manche Männer, die mit der Erwartung sexueller Befriedigung eine Tantramassage buchen, mögen enttäuscht sein, wenn sie hören, dass es kein Ziel gibt. Doch genau hier liegt die Chance, aus alten Mustern auszusteigen und neue Erfahrungen zu machen.
Gerade für Männer gibt es eine unglaubliche Fülle von körperlichen Gefühlen und Emotionen zu entdecken, die mit liebevoller und sinnlicher Berührung des ganzen Körpers einhergehen. Der männliche Körper hat weit mehr erogene Zonen, als in manchem Comic dargestellt wird. Körperliches, geistiges und auch sexuelles Wohlbefinden schließen eine ganzheitliche Berührungserfahrung ein. Die Absichtslosigkeit der Berührung trägt dabei wesentlich zum Abbau von Stress und Anspannung bei und fördert so die gesamte Gesundheit.
Tantramassage für Frauen
Aus Jahrtausenden patriarchaler Bevormundung sind viele Frauen auch heute noch in alten Mustern gefangen. Es fällt ihnen schwer, Grenzen zu setzen und zu sagen, was ihnen gut tut. Deshalb ist die Tantramassage für Frauen besonders wichtig, um sich selbst zu spüren und mit Bewegung, Stimme oder auch verbal zu äußern, welche Berührungen sich für sie gut und stimmig anfühlen. Dabei ist die Achtsamkeit der gebenden Person – egal ob Mann oder Frau – besonders gefordert.
Viele Frauen kennen aus eigener Erfahrung, aber auch aus kollektivem Erleben, Missbrauch und Übergriffigkeit. Daher ist die achtsame und absichtslose Berührung im Rahmen einer Tantramassage eine große Chance, diesem Erleben einen Gegenpol zu setzen. Eine Frau kann in der Tantra-Massage die Erfahrung machen, dass sie entspannen darf, ohne ständig auf der Hut sein zu müssen, dass etwas passieren könne, was sie nicht will. Selbstverständlich braucht es hierfür eine erfahrene Begleitung und viele Frauen wählen hierfür ebenfalls eine Frau.
Eine Tantramassage als Frau von einem Mann zu empfangen, kann eine besondere Herausforderung darstellen. Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass im Rahmen einer Tantramassage körperliche Lust geweckt wird. Das ist wunderschön und auf jeden Fall willkommen! Eine Tantramassage zeichnet sich jedoch auch dadurch aus, dass die gebende Person diese Lust nicht für persönliche Ziele nutzt. Im Klartext: sexuelle Lust und Energie sind eine ganz persönliche Erfahrung und dienen der eigenen Lebensenergie! Die professionelle Begleitung einer solchen Erfahrung heißt diese willkommen ohne sie zu missbrauchen.
Tantramassage für Paare
Auch für Paare kann eine Tantramassage ein besonderes Erlebnis sein und zwar dann, wenn das Paar die Tantramassage auch gemeinsam, das heißt im gleichen Raum von zwei Gebenden, empfängt. So können beide frei von Eifersucht am Wohlbefinden ihres Partners Teil haben. Oft geschieht es auch, dass sich durch das Erleben einer gemeinsamen Tantramassage neue Impulse für die eigene Sexualität ergeben. Selbstverständlich ist auch hier, wie für Einzelmassagen auch, dass die Gebenden frei von persönlichen Erwartungen sind.
Wenn sowohl das empfangende Paar als auch das gebende Paar jeweils Mann und Frau sind, kann es für die Empfangenden ein besonders Highlight sein, wenn die Gebenden tauschen. Das heißt, wenn der Mann vom Mann und die Frau von der Frau berührt werden. Gerade in dieser speziellen Paarkonstellation kann es sein, dass alte Muster und Vorurteile gegenüber gleichgeschlechtlichen Berührungen weniger stark wirken. Gerade dann stellt sich die Erfahrung oft von selbst ein, dass jeder Mensch für seine Lust selbst verantwortlich ist.