Zu Beginn einer Beziehung spielt Sex meist eine sehr große Rolle. Doch in den meisten Partnerschaften lässt das mit der Zeit nach. Es kommen vielleicht Kinder, der Alltag lässt weniger Zeit für die Liebe und die erotische Anziehung wird auf Dauer weniger. In anderen Beziehungen gibt es von vorne herein keinen oder wenig Sex. Wir gehen der Frage nach, ob eine Beziehung ohne Sex funktionieren kann und woran es liegt, wenn Erotik keine Rolle (mehr) spielt.
Kommt es zur Beziehung ohne Sex? Wie sich das Bedürfnis nach Sexualität verändert
Wenn ein Paar frisch verliebt ist, haben meist beide ein hohes Verlangen nach körperlicher Liebe. Sie sehen sich gegenseitig durch die sprichwörtliche rosarote Brille und können kaum die Finger voneinander lassen. Doch in nahezu jeder Beziehung ändert sich das relativ bald. Nach spätestens zwei Jahren (meist schon deutlich früher) endet die erste Verliebtheit. Im Idealfall geht sie in eine reifere Form der Liebe über. Doch die Lust leidet sehr häufig unter dieser Veränderung. Das hat verschiedene Gründe:
- Je besser wir uns kennen, umso weniger aufregend sind wir füreinander. Wir kennen die Vorlieben, Abneigungen, Stärken, Macken und Ticks unseres Partners so genau, dass auch im Bett eine gewisse Routine einkehrt. Und das steht glühender Lust entgegen.
- Bei den meisten Paaren verändert sich das Leben in eine Richtung, die mit mehr Verantwortlichkeit und Stress einhergeht: Der Beruf wird wichtiger, Themen wie Zusammenziehen, Hauskauf oder Kinder werden präsenter. Dadurch rücken die Probleme des Lebens in den Vordergrund und die Lust in den Hintergrund.
- Die Medien gaukeln uns ein immerwährendes sexuelles Feuerwerk vor. Wer das von seiner Partnerschaft erwartet, wird fast immer enttäuscht. Dass die Leidenschaft vom Anfang nachlässt, ist bei fast jedem Paar normal. Die Frage ist nur, ob ihr das Thema Sex komplett zu den Akten legt oder ob ihr gute Wege findet, mit denen beide zufrieden sind.
Woran liegt es, wenn der Sex immer weniger wird?
Neben dem ganz normalen Abflauen der Lust mit dem Alltag kann es noch weitere Gründe geben, durch die es schwieriger wird mit dem Sex:
- Vor allem Frauen kennen das Gefühl, sich selbst nicht attraktiv zu finden. Gewichtszunahme, Schwangerschaften oder einfach der Alterungsprozess können dazu führen, dass sie ihren Körper ablehnen. Das wirkt sich meist direkt auf die sexuelle Lust aus.
- Bei Männern sind es häufiger hohe Ansprüche, die das Liebesleben schwierig machen. Sie verlangen sich selbst auch im Bett absolute Leistungsfähigkeit ab. Wenn sie diesen Ansprüchen dann nicht immer genügen können, verlieren sie unter Umständen die Lust, es überhaupt noch zu versuchen.
- Stress, Zukunftsängste oder Probleme in der Partnerschaft können sich sehr negativ auf das Sexleben auswirken.
- Körperliche und psychische Erkrankungen können ebenfalls die Lust beeinträchtigen. Auch bestimmte Medikamente schränken die Libido ein.
- Hormonelle Veränderungen sind mit zunehmendem Alter ganz normal und sie beeinträchtigen auch das Liebesleben. So leiden zum Beispiel viele Frauen in und nach den Wechseljahren unter Scheidentrockenheit. Bei Männern sinkt ab etwa 40 Jahren der Testosteronspiegel langsam ab. Auch dadurch wird das Lustempfinden geringer.
Beziehung ohne Sex: das Phänomen der Asexualität
Jeder Mensch hat doch ein Bedürfnis nach Sex, oder? Auf die meisten Menschen trifft das tatsächlich zu, aber nicht auf alle. Es gibt Männer und Frauen, die sich als asexuell empfinden, die also generell kein oder nur sehr wenig Bedürfnis nach Sex empfinden. Sie sind damit aber nicht unzufrieden und ekeln sich auch nicht vor Sex, sondern haben einfach kein sexuelles Verlangen.
Asexualität gilt als sexuelle Orientierung, wie zum Beispiel auch Homosexualität. Asexuelle Menschen verspüren keinen Leidensdruck und mögen meist durchaus körperliche Nähe, Romantik und Zärtlichkeit. Nur haben sie eben keine Lust auf Sex. Die Asexualität ist angeboren und bleibt deshalb auch dauerhaft bestehen. Wenn asexuelle Menschen einen Partner finden, der ebenfalls kein oder wenig Bedürfnis nach Sex hat, können sie eine ausgesprochen harmonische Partnerschaft miteinander führen. Mit einem Mann oder einer Frau, der/die selbst sexuell aktiv sein möchte, kann es dagegen komplizierter werden.
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Wann wird der fehlende Sex zum Problem?
Solange beide Partner sich einig sind in ihrem Verzicht auf Sexualität, ist alles in Ordnung. Es kann sogar sein, dass die Beziehung an Qualität gewinnt und die Liebe intensiver wird. Schwierig wird es jedoch, wenn das Bedürfnis nach Sex unterschiedlich ist. Wenn zum Beispiel die Frau keinen Sex mehr möchte, ihr Partner aber schon. Dann kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Problemen. Der Mann fühlt sich vernachlässigt und nicht begehrt, die Frau hat vielleicht das Gefühl, unter Druck zu stehen oder bedrängt zu werden. Bei beiden macht sich nach und nach Unzufriedenheit breit. Natürlich kann die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau auch umgekehrt sein. In beiden Fällen gilt: Wenn ihr euch unterschiedlich viel Sex wünscht und mindestens einer unzufrieden mit der aktuellen Situation ist, solltet ihr etwas unternehmen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten:
- Ihr könntet ergründen, woher die geringere Lust bei einem der Partner kommt. Im Zweifel kann ein Paartherapeut/eine Paartherapeutin bei dieser Frage helfen.
- Statt sexuellem Kontakt könntet ihr euch zunächst darauf konzentrieren, wieder zärtlich zueinander zu sein. Oft kommt nämlich mit dem sexuellen Abstand auch ein genereller körperlicher Abstand. Händchen halten, kuscheln, sich umarmen, … Diese Dinge können sehr gut tun und vieles ändern. Wichtig ist nur, dass beiden Partnern klar ist: Die Streicheleinheiten müssen nicht in Sex enden, beide können jederzeit Nein sagen und eine Grenze ziehen.
- Vorsicht vor Affären oder offenen Beziehungen! Sich den Sex woanders zu suchen, scheint zunächst eine sinnvolle Lösung zu sein, geht aber nur in den seltensten Fällen gut.
- Wichtig sind in jedem Fall offene Gespräche miteinander. Bleibt euch nahe, tauscht euch über eure Gefühle aus und sprecht über eure Bedürfnisse! Wenn der fehlende Sex zum Tabuthema wird, ist die Beziehung in Gefahr.
Das Feuer des Anfangs ist nur schwer wiederzuerwecken. Aber ihr könnt viel tun, um die Lust beim Partner anzufachen. Wann habt ihr euch zuletzt so richtig verführt? Wie habt ihr euch am Anfang der Beziehung gegenseitig präsentiert und in welcher Kleidung verbringt ihr jetzt den Alltag? Was habt ihr gemeinsam unternommen und wie sieht jetzt euer Alltag aus? Veränderungen in der Beziehung können auch Veränderungen im Liebesleben mit sich bringen. Doch das ist keine Kleinigkeit, sondern bedeutet Arbeit an der Partnerschaft.
Wenn sich die Unzufriedenheit auch auf Dauer nicht lösen lässt, kann eine Trennung die richtige Möglichkeit für beide sein.
Unser Fazit: Sex alleine macht nicht glücklich, aber ganz ohne Sexualität funktionieren viele Partnerschaften ebenfalls nicht. Wenn beide zufrieden sind, ist alles gut. Bei unterschiedlichen Bedürfnissen solltet ihr jedoch möglichst bald aktiv werden.