Sei es nun der Glaube an Gott oder die Suche nach dem Sinn im Leben, Religiosität und Spiritualität sowie auch der gemeinschaftliche Glaube an etwas Höheres auf dieser Welt begleiten Menschen seit jeher. In dieser Hinsicht nimmt die Kirche als Ort des Zusammenkommens für Gläubige schon immer einen hohen Stellenwert ein, oder doch nicht mehr? Warum vor allem das katholische Gotteshaus leider auch im Zeitalter der Moderne längst kein Ort für alle Menschen ist und warum gerade Frauen Emanzipation in der Kirche fordern, erfährst du im Podcast-Interview mit der Theologin und Autorin Jacqueline Straub.
Emanzipation in der Kirche: Warum ist das wichtig?
Habt ihr vielleicht schon einmal darüber nachgedacht, wie es wäre, von einer Frau als Priesterin die Kommunion in der katholischen Kirche zu empfangen oder gar selbst diesen Beruf zu ergreifen? Falls ja, dann seid ihr nicht allein, denn immer mehr Menschen rund um den Globus setzen sich für Emanzipation in der Kirche ein. Eine Frau, die für ihr außerordentliches Engagement in dieser Hinsicht bekannt ist, ist Jacqueline Straub. Sie ist katholische Theologin, Journalistin und Buchautorin und offenbart im Gespräch mit Martin Matheo, warum Frauen in der Kirche noch längst nicht mit Männern gleichgestellt sind.
Warum kämpfen vor allem Frauen für eine kirchliche Emanzipation?
Jacqueline Straub wusste schon seit ihrer frühen Kindheit und Jugend, dass sie eine gläubige Katholikin ist und sich eines Tages den Berufswunsch der katholischen Priesterin erfüllen möchte. Doch wer mit den Strukturen der katholischen Kirche vertraut ist, der weiß, dass ausschließlich Männer als Priester anerkannt werden.
Obwohl Frauen nach wie vor in der katholischen Kirche nicht in der Rolle der Priesterin akzeptiert werden, so setzt sich Jacqueline Straub seit nunmehr acht Jahren für eine kirchliche Emanzipation ein. Denn sie stellte rasch fest, dass sie nicht die einzige Frau auf dieser Welt ist, die festgefahrene Strukturen an der Erfüllung ihres Traumberufs hindern.
Seither fungiert sie als eine Art moderne weibliche Leitfigur einer sozialen Bewegung, die sich für eine Gleichstellung der Geschlechter in der römisch-katholischen Kirche engagiert. Für ihren unermüdlichen Einsatz wurde sie vom britischen Sender BBC auf die Liste «BBC 100 Women 2018» gewählt. Damit kann sie sich zu Recht als eine der hundert einflussreichsten und inspirierendsten Frauen dieser Welt bezeichnen.
Warum ist Emanzipation in der Kirche ein schwieriges Thema?
In der evangelischen Glaubensgemeinschaft dürfen Pfarrer nicht nur in einer Beziehung leben, heiraten und sogar eine eigene Familie gründen, sondern es werden auch Frauen schon längst als Priesterinnen akzeptiert. Ganz anders sieht es hingegen in der Philosophie der römisch-katholischen Kirche aus, die den Geistlichen ein Leben im Zölibat vorschreibt.
Der Begriff Zölibat stammt vom lateinischen Wort caelebs ab, das so viel wie "allein, ledig oder ehelos" bedeutet. Katholische Priester, die zölibatär leben, verpflichten sich also „um des Himmelreiches willen“ dazu, zeitlebens auf die Eheschließung zu verzichten und sexuell enthaltsam zu sein.
Ebenso, wie das Zölibat als „Gottes Wille“ anerkannt wird, wird in der katholischen Glaubensgemeinschaft auch davon ausgegangen, dass es „Gottes Wille“ ist, dass keine Frauen zur Priesterweihe zugelassen werden. Begründet wird diese Tatsache insbesondere mit der Geschlechtlichkeit Jesu und der seiner zwölf Jünger, die Überlieferungen zur Folge allesamt männlichen Geschlechts gewesen sein sollen.
Da es demnach also „schon immer“ so war, dass ausschließlich Männer eine höhere geistliche Bestimmung erfüllen konnten, erkennt die Kirche nach wie vor keinen nennenswerten Grund, um mit dieser Tradition zu brechen.
Warum ist es an der Zeit, dass die Kirche aus ihrem Koma aufwacht?
In ihrem neuen Buch mit dem reißerischen Titel „Kickt die Kirche aus dem Koma: Eine junge Frau fordert Reformen jetzt“ bringt Jacqueline Straub das auf den Punkt, was viele Frauen, aber auch Männer, lange Zeit nicht auszusprechen wagten: In der Kirche muss sich dringend etwas verändern. Im selben Atemzug geht die Autorin auch darauf ein, dass sich bereits einiges verändert hätte, obwohl die Kirche seit Jahrzehnten, wenn nicht sogar Jahrhunderten, in ihrem ganz eigenen Stillstand gefangen sei.
Damit spricht sie die jüngsten Entwicklungen an, die vor allem durch eine vermehrte Abwendung von der Kirche gekennzeichnet wären. Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus, Kinder werden seltener getauft und Religiosität wird nicht mehr so gelebt, wie es einmal üblich war. Darüber hinaus rütteln auch Missbrauchsvorwürfe, sei es nun in sexueller, geistiger und/oder anderer Hinsicht, an der Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche. Doch wer trägt die Verantwortung für all das?
Wie kann die Kirche in das Jetzt gelangen?
Für Jacqueline Straub liegt die Antwort klar auf der Hand: Es ist die Kirche selbst, die endlich Verantwortung übernehmen und sich an die Gesellschaft anpassen muss. Denn gerade für die jungen Generationen, die für Gleichberechtigung und Anerkennung von Unterschiedlichkeiten zwischen Menschen einstehen, sind viele Traditionen der Kirche, die auf Benachteiligungen bestimmter Bevölkerungsgruppen beruhen, unverständlich.
Sei es nun die Ablehnung von Frauen im Priesterberuf, die Andersbehandlung von Geschiedenen oder die anhaltende Skepsis gegenüber Homosexuellen, trotz einer Sehnsucht nach Spiritualität und gemeinschaftlichem Glauben können sich immer weniger Menschen mit der Einstellung der Kirche identifizieren.
Eine Emanzipation der römisch-katholischen Kirche sollte dort ansetzen, alle Menschen unabhängig von Geschlecht, Sexualität oder Ethnie gleichermaßen anzuerkennen. Nur dann wird es möglich sein, die Flucht aus der kirchlichen Gemeinschaft zu stoppen und auch Frauen als Priesterinnen zu akzeptieren.