Wer kennt es nicht: Man ist frisch verliebt und sieht die Welt in bunten Tönen aufblühen. Der Redensart nach macht Liebe blind. Frischverliebte haben oft eine rosarote Brille auf, sodass sie eventuell schlechte Eigenschaften oder Angewohnheiten des Partners nicht sehen können bzw. wollen. Erst nach einer gewissen Zeit, wenn das anfänglich so starke Verliebtheitsgefühl etwas nachlässt, erkennen wir die Macken und Fehler des Gegenübers. Doch warum erst so spät? Wie viel Wahrheit steckt wirklich hinter dem geläufigen Sprichwort Liebe macht blind?
Macht Liebe blind? Woher kommt das Sprichwort? Welche Bedeutung hat es?
Das Sprichwort Liebe macht blind lässt sich auf den antiken Philosophen Platon zurückführen. Es bedeutet, dass wir Menschen in einem Zustand des Verliebtseins für die Fehler und Schwächen unseres Gegenübers quasi blind sind. Liebe lässt uns optimistisch, fröhlich und gutmütig werden. Insbesondere Frischverliebte konzentrieren sich nur auf die positiven und schönen Aspekte ihrer Verliebtheit. Sie idealisieren wie romantisieren ihren Schwarm und genießen einfach ihr Glück.
Daran ist auch überhaupt nichts verwerflich. Wenn wir jemanden lieben, sehen wir vermehrt die guten Seiten an ihm oder ihr. Das ist eine wunderbare Eigenschaft der Liebe. Liebe ist so stark, dass sie in vielen Fällen über das rationale Denken siegt. Auch wenn wir unterbewusst wissen, dass unser Partner z. B. aufgrund unterschiedlicher Zukunftsvorstellungen nicht zu uns passt, wollen wir diesen Gedanken nicht zulassen. Die intensiven Gefühle für ihn oder sie machen uns blind vor der Realität.
In unsere Vorstellungen schaffen wir unsere eigene Realität, in der es keine Hindernisse für die Liebe gibt. Dabei projizieren wir unsere Hoffnungen und Wünsche in unser Gegenüber hinein. Natürlich spüren auch Liebende tief in ihrem Inneren, welche Faktoren möglicherweise gegen ihre Beziehung spricht. Aufgrund ihrer starken Emotionen und des innigen Wunsches nach einer glücklichen Zukunft drücken sie aber ein Auge zu und bleiben optimistisch.
Warum macht Liebe blind?
Dass Liebe blind macht, ist psychologisch erwiesen. Verliebte zeichnen sich in der Tat durch eine veränderte Wahrnehmung in Bezug auf ihren Schwarm, ihr Umfeld und sich selbst aus. Als einfaches Beispiel gilt die Tatsache, dass Verliebte andere Menschen oft automatisch für weniger attraktiv und interessant halten.
Wenn man in Love ist, spielen die Hormone verrückt:
- Die Glückshormone Serotonin und Dopamin tragen dazu bei, dass wir in der Nähe unseres Schwarms beflügelnde Glücksgefühle erleben.
- Im Zusammenspiel mit körperlichen Berührungen wird dann auch noch das Kuschelhormon Oxytocin ausgeschüttet, welches möglich macht, dass eine dauerhafte Bindung entstehen kann.
- Wenn die erste Phase des Verliebtseins vorbei ist, kommt Oxytocin große Bedeutung zuteil. Dieses beeinflusst nämlich die Dauerhaftigkeit der Liebe und lässt der Wunsch nach körperlicher wie emotionaler Treue entstehen.
Verliebtsein ist wie eine Droge und kann süchtig machen. Daher gibt es auch Menschen, die sich von einer Beziehung in die nächste stürzen: auf ständiger Suche nach dem Verliebtheitskick.
Warum ist die Blindheitsphase des Verliebtseins wichtig?
Die „Blindheitsphase“ ist am Anfang der Kennenlernphase wichtig. Sie ist ein Zeichen von natürlicher Anziehung und ermöglicht körperliche wie emotionale Annäherung. Hinter dem Alltagsspruch Liebe macht blind steckt also ein Mechanismus, der dafür sorgt, dass sich zwei Menschen aneinanderbinden. Dahinter steckt das menschliche Bedürfnis nach Fortpflanzung.
Eine Familie möchte man ja mit jemanden gründen, zu der oder dem man eine tiefe Bindung verspürt. Bei der Partnerwahl kann man daher nur emotional vorgehen. Rational gesehen, hat jeder Mensch gewisse Fehler und Makel. Im Dating geht es anfangs darum, sich von seinen Gefühlen treiben zu lassen und seinem inneren Bauchgefühl zu vertrauen. Einen perfekten Partner, der zu 100 Prozent zu dir passt, wirst du nicht finden.
Verliebte wollen anfangs nichts hören, was die Sicht auf die neue Flamme negativ beeinflussen kann. Daher fällt es ihnen in der Verliebtheitsphase schwer, dem Partner zu misstrauen oder Lügen zu erkennen. Zu viel Misstrauen sollte man seinem Gegenüber in Kennenlernphase allerdings auch nicht entgegenbringen. Daten heißt nämlich, dem anderen erstmal Vertrauen zu schenken und zu versuchen, sich auf ihn oder sie einzulassen. Natürlich nur so weit und so lang, wie es sich richtig und schön anfühlt. Liebe kann blind machen ja, aber sie kann auch sehend machen. Liebe ist das schönste Gefühl der Welt. Sie erlaubt uns nämlich, die schöne Seite des Lebens zu erblicken, und unsere Mitmenschen zu erkennen und wertschätzen.
Was passiert, wenn man die rosarote Brille wieder abnimmt?
Mit der Zeit und dem Abklingen der ersten Euphorie lernt man das Gegenüber dann nochmal auf eine neue Art und Weise kennen. Wenn die Verliebtheit nachgelassen hat, kann schon Mal ein böses Erwachen kommen. Dann siehst du auf einmal, wovor dich deine beste Freundin schon immer gewarnt hat. Das kann in einigen Fällen eine große Belastungsprobe für die Beziehung sein. Nur weil man sich leidenschaftlich geliebt hat oder noch liebt, heißt es nicht, dass man auch im alltäglichen Leben miteinander zurechtkommt.
Liebe und Komfort gehen nicht immer Hand in Hand. Wenn wir die rosarote Brille nach einigen Wochen oder Monaten der Beziehung abnehmen, müssen wir dann neu entscheiden, ob wir die Macken und Fehler des Partners akzeptieren wollen oder lieber getrennte Wege gehen. Können Verliebte wieder scharf sehen, müssen sie sich und ihre Beziehung hinterfragen. Welche Werte haben wir? Was wünschen wir uns für die Zukunft? Harmonieren wir als geschlossenes Team? Vertrauen wir uns? Dinge, die vorher eventuell ausgeblendet wurden, werden nun sichtbar. Eine lange, erfüllte und glückliche Beziehung zu führen ist viel Arbeit: Selbstreflexion, Kompromisse, Zusammenhalt und Vertrauen dienen als Basis! Das Ausleben von Glücksgefühlen allein reicht nicht aus!