
Das Für und Wider der Nutzung von Milchprodukten in der menschlichen Ernährung wird unter Vertretern verschiedener Ernährungssysteme leidenschaftlich diskutiert. Kuhmilch und ihre Produkte gehören seit Jahrtausenden zur menschlichen Ernährung und einige der gesündesten Bevölkerungsgruppen der Erde, wie manche Jain–Kommunen oder die Toda in Indien, die Massai in Kenia und Bergbauern in Bulgarien ernähren zu einem erheblichen Teil von Kuhmilch bzw. Milchprodukten. Diese Menschen weisen eine hohe Langlebigkeit und robuste Gesundheit auf. Gleichzeitig gibt es sehr gut dokumentierte Zusammenhänge zwischen dem Verzehr von Kuhmilch und Neurodermitis, Allergien, Autoimmunkrankheiten, Diabetes, rheumatischen Erkrankungen. Auch bei manchen Formen von Autismus und Schizophrenie führt eine Vermeidung von Kuhmilch–Eiweiß in der Ernährung zu Besserung der Symptome.
A1 und A2 Milch, der kleine Unterschied mit großer Wirkung
Die Beobachtungen, denen zufolge das Eiweiß der Kuhmilch Probleme erzeugen kann, stammen aus Nordamerika und Europa. In Indien und Kenia, Ländern, in denen Kuhmilch eine besonders wichtige Rolle in der Ernährung der Menschen spielt, sind dagegen solche Probleme unbekannt. Der wesentliche Unterschied liegt dabei in den Kuhrassen. Eine genetische Einteilung in A1- und A2-Kühe liefert die Erklärung, denn das Milcheiweiß einer A1-Kuh wird anders verdaut als das einer A2-Kuh. In Europa und Nordamerika wird praktisch die gesamte Kuhmilch im Handel von A1-Kühen erzeugt, während in Kenia und Indien A2-Kühe die Norm sind.
Eiweiß in der Kuhmilch setzt sich aus verschiedenen Eiweißarten zusammen. Darunter ist auch das Beta-Casein, ein Molekül aus 209 Aminosäuren. Eine einzige Aminosäure ist nun im Beta-Casein der Milch einer A1-Kuh im Vergleich zur A2-Kuh ausgewechselt. An der 89. Stelle der langen Aminosäurenkette liegt beim Beta-Casein der A1-Kuh die Aminosäure Histidin vor, bei der A2-Kuh findet sich hier dagegen Prolin. Der Teufel steckt wie so oft im Detail, denn dieser kleine Unterschied führt dazu, dass bei der Verdauung von A1-Milch ein Neurotoxin entsteht, eine Substanz mit dem klangvollen Namen Beta-Casomorphin 7, auch als Akronym unter BCM7 bekannt. Wie man an diesem Namen erkennen kann, handelt es sich um einen Verwandten des Morphiums und damit einer neurologisch relevanten Substanz. Während die Milch der A2-Kühe von Indischen Yogis wegen ihrer beruhigenden Wirkung auf das Nervensystem gepriesen wird, kann bei empfindlichen Personen die Milch unserer A1-Kühe nervliche Unruhe und Überreizung erzeugen.
Wer sollte auf Kuhmilch verzichten?
BCM7 wirkt unterschiedlich stark auf unterschiedliche Körper. Ich kenne durchaus viele Menschen, die auf eiweißhaltige Kuhmilchprodukte gut vertragen und keine Besserung ihres Allgemeinbefindens erfahren, wenn sie darauf verzichten. Doch bei erhöhter Sensibilität auf die Wirkung von BCM7 kann Kuhmilch–Eiweiß ein wesentlicher Faktor in der Entstehung von Krankheiten sein.
- Wer unter Neurodermitis, Schuppenflechte und generell unter chronischen Hautausschlägen leidet, sollte längere Zeit auf alle eiweißhaltigen Kuhmilchprodukte verzichten.
- Auch bei Heuschnupfen oder multiplen Allergien gibt es oft Besserung durch den Verzicht auf alles, was BCM7 erzeugen kann.
- Manche Formen besonderer psychischer Sensitivität, die im Extremfall zu Autismus oder zu Schizophrenie führen kann, werden durch BCM7 verstärkt und es gibt positive Erfahrungen mit einem Verzicht auf eiweißhaltige Kuhmilchprodukte bei diesen Erkrankungen.
- Auch bei Autoimmunkrankheiten wie Hashimoto hat sich ein solcher Verzicht bewährt. Butter als fast reines Milchfett mit einem Eiweißanteil von unter 0,5 % kann auch von Menschen gegessen werden, die auf Kuhmilch–Eiweiß problematisch reagieren.
Welche Alternativen zur Kuhmilch gibt es?
Ziegenmilch und Schafmilch und deren Produkte enthalten kein Beta-Casein und führen somit auch nicht zur Bildung von BCM7. Manche Menschen, die durch Kuhmilch-Eiweiß gesundheitliche Probleme bekommen, können diese Milchprodukte gut vertragen. Dies ist jedoch von Fall zu Fall verschieden und besonders bei Neurodermitis, Heuschnupfen und multiplen Allergien ist oft ein totaler Verzicht auf Milcheiweiß aller Art sehr hilfreich.
Handelsübliche Milchersatz-Produkte sind manchmal eine Erleichterung für Menschen, die wissen, dass ihnen Kuhmilchprodukte nicht guttun, aber ihr ernährungsphysiologischer Wert ist oft fraglich. Grundsätzlich würde ich von Sojamilch und allen Kunstkäse-Kreationen aus Soja, Weizeneiweiß oder anderen pflanzlichen Zutaten abraten. Gerade Sojamilch kann sehr ungünstige Auswirkungen auf die Schilddrüse und die Verwertung von Mineralstoffen haben. Es gibt in Rohkost-Rezeptebüchern viele gute Anregungen für die Zubereitungen aus Nüssen, die Milch, Käse oder Quark auf vielfältige Weise ersetzen können.
Milchverzicht oder doch nicht?
Auch Kuhmilch-Produkte können ein wertvoller Nahrungsbestandteil sein, wenn man beachtet, ob man selbst von einer Sensitivität auf BCM7 betroffen ist. Butter ist ohnehin von dieser Problematik ausgenommen. Generell sind Milchprodukte natürlich nur zu empfehlen, wenn sie aus kleinbäuerlichen Betrieben stammen und die Tiere natürliche Nahrung in Form von Gras und Heu bekommen. Kühe sind von Natur aus keine Getreidefresser und diese Art der Ernährung macht sie anfällig für Krankheiten und damit auch für hygienische Probleme in Bezug auf ihre Milch. Die Produkte aus einer artgerechten Tierhaltung kosten mehr und diese Investition lohnt sich auf jeden Fall.
Butter als wertvolles Fett
Butter gehört mit ihrer der menschlichen Muttermilch sehr ähnlichen Fettzusammensetzung sicher zu den besten Fetten, die wir essen können. Wenn Kühe ihre Hörner behalten, Gras und Heu fressen und generell artgerecht gehalten werden, weist ihr Milchfett auch das seltene Vitamin K2 auf, das für gesunde Knochen und Blutgefäße besonders wichtig ist. Auch ein spezielles Enzym, der sogenannte Wulzen-Faktor ist in Butter von grasfressenden Tieren zu finden. Es lohnt sich auch, den etwas größeren Aufwand zu betreiben, um Rohmilchbutter zu bekommen, die in ihrem Enzymgehalt unverfälscht und besonders wertvoll ist. Im regulären Handel gibt es üblicherweise nur Butter aus pasteurisiertem Rahm, aber manche Bauern und Markthändler bieten auch Rohmilchbutter an.
Echter Joghurt aus eigener Herstellung
Joghurt wird ja oft aufgrund der probiotischen Bakterien als gesundes Lebensmittel angepriesen. Doch ein handelsüblicher Joghurt wird nach der Fermentation pasteurisiert, was den größten Teil der guten Bakterien abtötet und zusätzlich noch mit billigem Milchpulver gestreckt. Sie können das ganz einfach nachprüfen, indem sie auf der Nährwerttabelle eines Joghurts aus dem Supermarkt den Kohlenhydratanteil nachschauen. Mich enthält etwa 4,5 – 4,8 % Kohlenhydrate in Form von Milchzucker. Eine Fermentation zu echtem Joghurt würde diesen Gehalt auf unter 1 % reduzieren, da die Joghurt–Bakterien den Milchzucker in Milchsäure verwandeln. Sie werden jedoch kaum einen Joghurt im Handel finden, der weniger als 4 % Kohlenhydrate aufweist, was an der Zugabe von Milchpulver liegt, die nicht deklariert werden muss.
Ob Milchprodukte nun günstige oder schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben, hängt von mehreren Faktoren ab, die ausgewogen berücksichtigt werden sollten. Das eigene Experimentieren und das sanfte Spüren in den eigenen Körper sollten dabei immer im Mittelpunkt stehen, denn auch die besten und aktuellsten Informationen zu gesundheitlichen Aspekten der Ernährung sind weniger weise, als die Intelligenz, die unsere Körper von Moment zu Moment belebt.